WRC, Sardinien-Rallye
9. bis 12. Juni 2016
Stnr. 16: Henning Solberg (NOR)/Ilka Minor (AUT) Ford Fiesta RS WRC
Platz 7
DIE GEFEIERTE SIEBEN
Platz sieben haben die Privatiers Henning Solberg und Ilka Minor nicht zum ersten Mal eingefahren – diese Platzierung ist angesichts der vielen Werksteams umso wertvoller. Das darf dann auch ausgiebig gefeiert werden….
Die „Sieben“ scheint eine spezielle Glückszahl von Ilka Minor zu sein: Auf Sardinien belegte sie mit Manfred Stohl bereits in den Jahren 2006 und 2007 diese Platzierung, mit Henning Solberg kam sie 2014 auf Platz sieben ins Ziel – nun, beim erneuten Antreten auf der Mittelmeerinsel wurde diese Position prolongiert. Mit dem Norweger feierte Ilka am vergangenen Wochenende bereits zum neunten Mal Platz sieben in einer Weltmeisterschafts-Rallye. Einmal mehr konnte das norwegisch-österreichische Duo, das wieder ein privates Ford Fiesta RS World Rally Car zum Einsatz brachte, als bestplatziertes Privatteam abschließen…
Zufrieden blickt Ilka Minor auf ein ziemlich anstrengendes Rallye-Wochenende zurück: „Die Tage waren sehr lang – am zweiten Rallyetag zum Beispiel ist es schon um 5.20 Uhr am Morgen losgegangen und erst um 21.30 Uhr am Abend kamen wir wieder im Service an. Da gehst du nur noch schnell in der Team-Hospitality etwas essen und dann geht es gleich ins Hotel.“ Kann man gleich einschlafen oder „wetterleuchtet“ die Rallye noch weiter in einem? Ilka schmunzelt: „Du stellst dich im Hotel nochmal unter die Dusche, bereitest deine Sachen für den nächsten Tag vor und dann bist du unheimlich müde – das Einschlafen ist da überhaupt kein Problem.“ Vor allem dann nicht, wenn der nächste Tag, wie auf Sardinien, schon wieder um 7.20 Uhr beginnt…
Essen mit den Fans: „Danke für die Unterstützung“
Ihre beiden „Spezial-Fans“ aus Österreich, Katja und Jochen, hat sie bereits am Mittwoch, am zweiten Besichtigungstag zu einem Essen getroffen: „Da konnten wir in Ruhe plaudern. Sie sind dann noch am Freitag ins Service auf Besuch gekommen, am Samstag haben wir sie auf einer Zwischenetappe gesehen, mit ihrer Österreich-Fahne – leider ging es sich am Sonntag nicht mehr aus, weil sie auf einer Sonderprüfung eingeparkt waren und sie dann bereits ihre Fähre in Richtung Heimat erwischen mussten. Ich freue mich immer wieder, wenn die beiden mich besuchen und sage danke für diese Unterstützung.“
Die Rallye selbst wurde am Donnerstagabend mit einer zwei Kilometer kurzen Specialstage in der Ittiri Arena eingeläutet, Ilka erklärt: „Das hat uns recht gut gefallen, denn es waren zum einen sehr viele Fans vor Ort und es gab einen neuen Modus, die Teams fuhren nicht auf zwei Bahnen gegeneinander sondern zeitversetzt eine halbe Runde direkt hintereinander.“
Richtig los ging es am Freitag mit einer 7,5 Kilometer kurzen Prüfung, die jedoch ebenfalls nicht dem Charakter der weltberühmten Schotterrallye entsprach: „Das waren ganz enge Kurven und es war auch keine durchgehende Schotterstraße, man fuhr auch auf Beton.“ Erst die weiteren Prüfungen hatten schließlich den typischen Sardinien-Charakter. Auf SP 5 schließlich, der letzten Prüfung vor dem Mittagsservice, setzten Henning Solberg und Ilka Minor mit der fünftschnellsten Zeit ein erstes Rufzeichen.
Wenn das Gas stecken bleibt: „Komisches Gefühl“
Am Nachmittag jedoch gab es auf der zweiten Durchfahrt der engen 7,5 km-SP gleich einmal einen mehr als störenden Zwischenfall: „In einer der engen Kehren hat Henning gerade erst die Handbremse betätigt, als das Gas stecken blieb – der Wagen drehte sich am Kurvenausgang noch mehr ein und der Motor heulte auf. Henning musste kurz überlegen, was er nun tun sollte, ehe er den Motor komplett ausschaltete und das Auto wie bei einem Computer-Reset neu startete. Das hat natürlich einige Sekunden gekostet. Schlimmer war jedoch, dass ein stecken bleibendes Gas immer ein komisches Gefühl hinterlässt, weil man ja nicht weiß, ob es wieder passieren wird und es auf dieser Rallye ja auch einige sehr schnelle Passagen gab. Man fährt dann einfach ein bisschen vorsichtiger – auch auf der nächsten Prüfung hat der Wagen das Gas nicht so gleichmäßig angenommen, wie es Henning gewöhnt ist. Das ist natürlich auch eine Kopfsache, keine Frage“
Erst auf SP 8 erklärte Henning dem Rallyradio: „Ich fahre Vollgas, schneller kann ich nicht mehr fahren.“ Ilka nickt: „Das sagt er immer, wenn er sich wohl fühlt im Auto – da hat man also gemerkt, dass er wieder den Kopf frei hatte.“ So konnten Henning und Ilka den ersten vollen Rallyetag auf Gesamtrang neun abschließen.
Nur noch 0,643 Sekunden hinter der Weltspitze
Am Samstag kamen schließlich jene Sonderprüfungen, welche Ilka als die „schönen Prüfungen“ bezeichnet, schnelle und fließende Schotterstraßen, darunter die weltbekannte SP „Monte Lerno“, die satte 44 Kilometer lang ist. Dort fuhren Solberg/Minor im ersten Durchlauf die neuntschnellste Zeit, doch für Ilka ist vor allem der Rückstand von Bedeutung: „Da lagen wir nur 28,3 Sekunden hinter der Weltspitze – wir hatten am Kilometer nur noch 0,643 Sekunden Rückstand und das ist für ein privates Team schon sehr erfreulich.
Ein weiterer Grund zur Freude war Colin Clark – der kultige Stage End-Reporter ist natürlich schon als solches immer ein Grund zur Freude, doch in diesem Fall hatte er auch noch eine frohe Botschaft dabei: „Er kam zu uns und hat voller Anerkennung gemeint: ‚Wahnsinn! Ihr seid beim ‚Micky’s Jump‘ so hoch gesprungen wie kein anderes Team!“ Der berühmte Sprung ist ein Teil der „Monte Lerno“-Prüfung – bekommt man das im Auto auf 44 Sonderprüfungskilometern mit, wann genau dieser ganz spezielle Sprung kommt? Ilka nickt: „Natürlich, das weiß man schon – und man sieht es auch an der Menge der Fans am Streckenrand.“ Im zweiten Durchlauf konnten Solberg/Minor sogar die sechstschnellste Zeit auf der SP „Monte Lerno“ in den Schotter brennen, doch der Rückstand war dennoch fast doppelt so hoch wie im ersten Durchgang. Henning und Ilka beendeten den Samstag auf dem tollen sechsten Gesamtrang – allerdings lag M-Sport-Werkspilot Eric Camilli nur 6,1 Sekunden zurück…
Kampf um Platz sechs – mit ausbrechendem Heck
Am Sonntag waren nur noch vier relativ kurze Prüfungen zu fahren, Ilka erzählt: „Natürlich wollten wir den sechsten Platz gegen Camilli verteidigen – nur gab es gleich von der ersten Prüfung an ein kleines Problem: Der Wagen ist beim Anbremsen immer leicht ausgebrochen, ein Rad stand etwas wackelig im Radkasten. „Wir konnten unterwegs das Problem leider nicht finden und beheben, so fuhren wir den ganzen Vormittag mit diesem Handicap.“
Dennoch gaben Henning und Ilka alles, um den Platz zu verteidigen. Doch auch Camilli gab seinem Werksboliden die Sporen: „Auf jener Prüfung, auf der wie die viertschnellste Zeit fahren konnten, fuhr er die Bestzeit. Letztendlich konnten wir uns auch über den tollen siebten Platz freuen.“
Und wie! Vor allem Henning Solberg dürfte den weiteren Punktesegen ausführlich gefeiert haben. Ilka lacht: „Wir sind am Abend noch zusammengesessen – dann hatte er später am Abend immer noch den Rennoveral an. Dann gingen wir essen, er bleib noch in der Hotellobby. Als ich am Montagmorgen um halb elf am Vormittag an seiner Zimmertür klopfte, hat er sich zwar akustisch gemeldet, doch aufgemacht hat er nicht. Ich glaube, er dürfte wohl etwas länger gefeiert haben. Warum auch nicht? Er hat es sich verdient, er ist wirklich gut gefahren an diesem Wochenende.“
08.06.2016
WRC, Sardinien-Rallye: VORSCHAU
9. bis 12. Juni 2016
Stnr. 16: Henning Solberg (NOR)/Ilka Minor (AUT) Ford Fiesta RS WRC
ALLES NUR NICHT DAS MEER…
Ein Sardinien-Rückblick, der sich wie ein Abenteuerbuch liest und Erinnerungen an Evgeny Novikov weckt, den sie immer noch für ein großes Ausnahmetalent hält. Im neuerdings elegant goldenen Ford Fiesta WRC werden Henning Solberg und Ilka Minor am Wochenende auf Sardinien wieder tapfer gegen die Werksautos um WM-Punkte kämpfen.
„Und bleibst du noch ein paar Tage am Meer?“ – eine Frage, die für viele Menschen als naheliegend erscheint, wenn jemand beruflich einen am Meer gelegenen Ort aufsucht. Bei Ilka Minor jedoch wird man mit dieser Frage höchstens Minuspunkte einsammeln. „Ich gehe in keine Gewässer, weder ins Meer noch in Süßwasserseen.“ Der Hintergrund mag zunächst recht unterhaltsam klingen – schließlich gibt Ilka Minor ganz offen zu, eine ablehnende Haltung gegenüber Wasserleichen zu haben. Womit sie ganz sicher nicht alleine im Raum steht.
Deshalb jedoch sämtliche Gewässer zu meiden – diese Konsequenz legen nur wenige Menschen an den Tag. Allerdings sei noch hinzugefügt: Auch wenn Ilka im Flugzeug gerne möglichst mit grausamen Verbrechen gespickte Kriminalromane liest, geht sie bei „ihren“ Wasserleichen davon aus, dass diese tatsächlich Leichen sind, daher auch „brav“ im Wasser bleiben und nicht a la „The Fog“ das Festland aufsuchen, um dort „Angst und Schrecken“ zu verbreiten…
Zumal das Festland am kommenden Wochenende aus wunderschönen Schottersonderprüfungen besteht – auf der italienischen Mittelmeerinsel Sardinien macht von 9. bis 12. Juni die Rallye-Weltmeisterschaft (WRC) ihre Station, Ilka Minor wird dort wieder auf dem „heißen Sitz“ von Henning Solberg Platz nehmen, der dank eines neuen Sponsors zuletzt wieder regelmäßig der Herausforderung erliegen konnte, als Privatier inmitten von Werksteams um WM-Punkte zu kämpfen. Dem neuen Geldgeber haben Henning und Ilka auch das elegant-peppige „Gold-Design“ zu verdanken, das in Portugal erstmals das Ford Fiesta World Rally Car zierte, mit dem das norwegisch-österreichische Duo auch auf Sardinien mit der Startnummer 16 sein Glück versuchen wird.
Für Ilka ist die Insel alles andere als Neuland, die Rückschau fällt dort recht unterschiedlich und mitunter auch recht turbulent aus. Ilka erinnert sich an die Ära mit Manfred Stohl: „2005 wurde Manfred vor der Besichtigung krank, sodass wir jede Prüfung nur einmal begutachten konnten.” Trotz dieses Handicaps konnten die beiden auf Platz neun immerhin zwei WM-Punkte an Land ziehen. Die beiden Jahre drauf, 2006 und 2007, wurde es ohne Handicap jeweils Platz sieben.
Sardinien mit Evgeny Novikov: Crash & Podium
Ganz besonders intensiv gestaltete sich die Sardinien-Rallye 2012, als Ilka Minor mit dem als „ungestüm“ bekannten, mit hohem Grundspeed gesegneten Evgeny Novikov am Start war. „Es war erst unsere zweite gemeinsame Rallye“, erinnert sich Ilka, die vom ersten gemeinsamen Meter an von der kompromisslosen Fahrweise des jungen Russen begeistert war. Auf Sardinien 2012 lagen Erfolg und Wahnsinn recht nahe beieinander – so wurden jene Fotos zum Kultobjekt, welche niemand geringerer als Rallyeradio-Legende Colin Clark vom brennenden Solberg/Minor-Fiesta ins Internet stellte. Ilka erzählt: „Wir sind in ein Brückengeländer gekracht – im Auto gab es Behälter mit ein wenig Öl für den Bedarfsfall. Bei dem Aufprall wurde prompt einer dieser Behälter beschädigt, das Öl tropfte ins Auto und begann schließlich zu brennen. Doch wir konnten mit dem Feuerlöscher große Schäden verhindern.“ Am Ende konnten Novikov und Minor bei ihrer zweiten gemeinsamen Rallye den großartigen zweiten Platz feiern, für Ilka das bislang erfolgreichste Sardinien-Abenteuer.
Ein Jahr später waren Evegny und Ilka zu Werkspiloten avanciert, der junge Russe wollte sich beweisen – bei der 2013er-Ausgabe der Sardinien-Rallye endete dieser Versuch, das in ihn gesetzte Vertrauen mit Spitzenergebnissen zu bestätigen recht schmerzhaft: „Es war die zweite Prüfung, die Kurve war recht flott und machte leicht zu, da sind wir heftig in eine Steinmauer eingeschlagen.“ Statt einem Spitzenergebnis gab es einen Ausfall zu verzeichnen. Doch Ilka Minor ist es ein Anliegen, den ihrer Meinung nach zu Unrecht als Bruchpilot vorverurteilten Russen ins rechte Licht zu stellen: „Das war die einzige Rallye mit Evgeny Novikov, bei der wir nicht ins Ziel kamen – bei allen anderen gab es eine Zielankunft!“
Dass Ilka mit dem von ihr hoch geschätzten, jedoch vom politischen System WRC vorerst „ausgespuckten“ Ausnahmetalent auch heute noch in Kontakt steht, verwundert nicht – schließlich war und ist Evgeny Novikov in Ilkas Augen ein außergewöhnlicher Pilot. Ewig in Erinnerung wird bleiben, wie sie voller Begeisterung nach ihrer ersten Fahrt mit Evgeny schilderte: „Er fährt dermaßen kompromisslos – er lenkt einmal ein, es wird nicht einen Millimeter korrigiert – entweder sind wir pfeilschnell oder draußen.“ Wie so oft tun sich Piloten, die einmal ihren Platz im Servicepark verloren haben schwer mit einem wirklich erfolgversprechenden Comeback. Ilka erzählt: „Derzeit konzentriert sich Evegny auf sein Business – ich würde es ihm wünschen, dass er den richtigen Weg zurück in ein World Rally Car findet.“
Sardinien mit Henning Solberg: Punktesegen & Golddesign
Während das gemeinsame Jahr als Werksteam für Evgeny vorerst zum unfreiwilligen Endpunkt wurde, hatte Ilka Minor das Glück, mit Henning Solberg weiterhin auf der weltweiten Bühne der besten Lenkradakrobaten dieses Planeten zu bleiben. So belegten die beiden 2014 auf Sardinien Platz sieben, was in etwa dem Maximum entspricht, welches ein privates Team in der hart umkämpften Weltmeisterschaft erreichen kann – um noch weiter vorne landen zu können, bedarf es dann schon einiger Probleme in den Werks-Cockpits…
Im Vorjahr musste auch der sympathische Henning Solberg hinnehmen, dass Privatiers heutzutage nicht nur auf den Strecken zu kämpfen haben – immer schwieriger ist es geworden, einen privaten WRC-Einsatz zu finanzieren. Umso erfreulicher ist es daher, dass Solberg mit den norwegischen Sponsoren Skruvat (Autozubehör) und wie erwähnt neuerdings Leo Vegas (Glücksspiel) potente Partner gefunden hat, um auf höchstem Niveau den Kampf der „privaten Davids“ gegen die „Werks-Goliaths“ zu suchen.
So konnten Henning Solberg und Ilka Minor heuer schon drei der bislang fünf WM-Rallyes in Angriff nehmen und dabei zweimal Punkte abräumen: In Schweden sogar deren sechs, in Argentinien kam weitere zwei Zähler hinzu, nur in Portugal gab es keine Punkteausbeute, auf Platz 27 sah man immerhin die Zielflagge, sodass die Ankunftsrate 2016 bislang beeindruckende 100 Prozent beträgt.
Auf den Schotterstrecken Sardiniens kann Henning Solberg einmal mehr den von ihm favorisierten losen Untergrund genießen – bei insgesamt 18 World Rally Cars ist der Punktesegen dennoch keine Selbstverständlichkeit. Doch Ilka zeigt sich zuversichtlich und verrät mit einem Lachen im Gesicht: „Es kann eigentlich nur ein gutes Ergebnis werden, denn es haben sich meine beiden Glücksbringer zu einem Besuch angekündigt.“
Sardinien mit den Ilka-Fans: Meet & eat
Jochen und Katja sind komplett mit dem Rallyevirus infiziert, um einen guten Stage-Zuschauerpunkt zu ergattern wird gerne auch einmal im Auto geschlafen. Schon in der Ära Stohl sind die beiden Österreicher zumindest einmal im Jahr vor Ort ihrer Rolle als „Hardcorefans“ gerecht geworden – als dann Ilka mit Evgeny Novikov und Henning Solberg zu Österreichs zurzeit einzigem Fixstern am WRC-Himmel mutierte, blieben ihr Jochen und Katja treu. Ilka bestätigt: „Sie haben sogar eigene Ilka-Shirts und ich freue mich immer sehr, wenn sie einen Besuch ankündigen.“
Mittlerweile hat sich zwischen den Fans und ihrem Star eine Freundschaft entwickelt, die beiden sind in der M-Sport-Hospitality gern gesehene Gäste, mitunter kann es dann auch einmal ein gemeinsames Essen mit Henning oder auch weiteren WRC-Stars wie Mads Östberg geben. Dieses nette Miteinander gehört bei Ilka dazu, sie mag die Menschen in und um diesen Sport. Zumindest solange sie nicht die eingangs erwähnte Frage nach dem Meer stellen oder gar als Wasserleichen die Gewässer unsicher machen…